Freitag, 1. Februar 2013

Sonntag der 31.1.43 in Ohrdruf


[Ohrdruf, den 31.I.43]

Lieber Vater!

Habe Deinen Brief vom 21. Jan. über Greiz. dankend erhalten. Ich freue mich immer und es ist das schönste von zuhause oder von Dir Post zu bekommen. Ja die Hochzeit in Weindorf das war ein schöner Abschluss meines Privatlebens und bin ich jetzt froh, daß ich Abends nicht noch nach Hause gefahren bin. Die Bilder sind ganz nett geworden. Der Dienst hier ist furchtbar lang, hart und streng. Man bekommt kaum Zeit zum (scheißen). Jede Woche einmal Nacht oder Frühübung. Die ganzen theoretischen Themen für Unteroffiziere oder Gruppenführer müßen wir alle lernen und ausarbeiten. Das ist Abends eine dolle Schreiberei hier auf der Stube. Der Truppenübungsplatz ist das richtige Gelände für Unterführer nach allen Schikanen auszubilden und das nützen die auch aus. Die Ausbilder hier sind ganz in Ordnung (der Dienst wird ja auch nicht von ihnen bestimmt) sondern es geht darum uns hart zu machen und als Gruppenführer auszubilden. Wir gehen jeden Morgen ins Gelände, Mittags meistens Schießausbildung usw. Bis 7--8 Uhr geht der Dienst meistens hier. Dann haben wir viel Dienst unter der Gasmaske und ich bin noch nie so fertig gewesen wie als M.G. Schütze unter der Gasmaske. Manches Mal schütteln wir nur mit dem Kopf über das was die mit uns machen. Die Schüler (Uffz - OGefr -Gefr - und auch Pz. Gern wie wir) werden hier manchmal behandelt wie Strafgefangene, so kommt es einem wenigstens vor z.B. wenn man den

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ganzen Morgen unter der Gasmaske gerannt ist. Wir bekommen hier aber allerhand gelernt. Ich bin ganz heiser vom kommandieren vor dem Zug od. Gruppe. Jeder muß einen Tag als Zug od. Gruppenführer sein. Vorigen Montag hatten wir das erste Gewehr und Maschinengewehr Scharfschießen. Das Gewehr hatte ich ganz neu also noch nie mit geschoßen und doch Schoß ich als bester meiner Gruppe und als einer der drei besten meines Zuges (36 Mann), Ich Schoß liegend freihändig 12 - 6 - 12 = 30 Ringe auf 150 Meter! Die 6 sollte auch was anderes werden aber da war mir der Abzug durchgegangen was der Leutnant bedauert hat. Ich bin im 1. Zug und der 1. Zug hat als Zugführer einen Leutnant ein prima Kerl. Beim M.G.  schießen war ich einer der wenigen welche bei 5 Schuß Einzelfeuer 5 Treffer hatten. Somit ein für mich erfolgreicher Tag. Morgen geht es wieder zum Schießstand, hoffentlich habe ich wieder viel Glück. Schießen gehe ich immer gerne schon in Coesfeld stand mein Name auf dem schwarzen Brett unter den besten Schützen als ich 100 m liegend aufg. 34 Ringe geschoßen hatte und mit M.G. bei 5 Schuß 5 Treffer. Der Leutnant sagt ich hätte die richtige Kommandostimme, die müßte nur ausgebildet werden. Der Lehrgang dauert wahrscheinlich (hoffentlich) 8 Wochen, danach denke ich nach Coesfeld zurückzukommen und von dort Urlaub zu bekommen. In Russland und Afrika sieht es ja bös aus und wollen wir hoffen, daß der Russische Einbruch bei

[Randnotiz Seite 2]
Stalingrad zum halten kommt. In Afrika ist es ja wohl aus, also Lybien [y in Kurrent] wird wohl verloren sein. Das hatte ich nicht erwartet wo wir doch so nah vor Alexandria standen. Im Sommer werden die Russen wohl wieder richtig einen auf den Hut bekommen.

Es grüßt Dich nun herzlich Dein Sohn *Albert*

[Randnotiz Seite 1]
Das Wetter ist denkbar ungünstig für den Lehrgang, die Putzerei regt einen auf, jede freie Minute hat man eine Bürste in der Hand für den Dreck + Matsch auszubürsten. Am besten ging man im Feldanzug mit Ausrüstung unter die Brause.

[Ohrdruf, 19430131, Russland, Stalingrad, Afrika, Libyen, Alexandria]


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* Kapitulation der im Nordkessel eingeschlossenen deutschen Einheiten in der Schlacht von Stalingrad im Russlandfeldzug des Zweiten Weltkriegs. Etwa 90.000 (!)Soldaten geraten in Gefangenschaft.
(de.wikipedia.org, Zugriff 24.12.2012)
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